45. Schon wieder eine Aufführung, die ich nicht gesehen habe:

Ko Murobushi (JP)
Faux Pas

15.+16.+17. August | 21:00 | Odeon

Der künstlerischen Impotenz vieler seiner Zeitgenossen setzt Murobushi sein butohistisches Lachen entgegen. Potenzübersättigt richtet er seine Aufmerksamkeit nur noch auf jenes Lachen. Weinen kann jeder, sagt Murobushi seinem pimpeligen Publikum. Manchmal lacht es auf im Schlaf, so als hätte es ein Zipfelchen dieses murobushischen Lachens erwischt. In einer Sms hat es mir Reinhard Strobl gerade mitgeteilt und ich glaube ihm, weil ich es an seinem Lachen beobachte. Mir ist, als ob auch ich ein Zipfelchen dieses Lachens erwischt hätte, mehr noch, als ob ich die beiden Zipfelchen dieses Lachens selbst wäre, Julius das eine Zipfelchen und Deutschbauer das andere Zipfelchen. Gott Zipf, Gott Zipfel, Gott Zipfelchen. Das Wort „Gott“ bekommt von dieser Überzeugung her endlich wieder Sinn. Obgleich Murobushi mit diesem Wort ganz gewiss nichts am Hut hat, bemüht er es hier, um auch einem westlichen Publikum sein Spiel mit Leere und Indifferenz, aufsteigendem Fallen und kriechendem Emporschwingen zu beschreiben. Das Wort „Gott“ gehört zu den frühesten Wörtern, die unsereins gelernt haben – durch Bilder und Katechismen usw., aber nicht mit den gleichen Folgen wie bei Bildern von Tanten. Tanten sind Murobushi eindeutig näher als Gott. Trotzdem, das Wort „Gottzipfelchen“ gehört zu den Worten, die er uns mit Faux Pas lehren will. Also spricht Murobushi. Also tanzt Ko Murobushi uns den Zipfelchentanz. Zipfeltanz statt Vogeltanz. Er kennt weder Schmerzgrenzen noch hat er Angst vor Peinlichkeiten (Charakterstärken), wie der Programmtext bekennt. Dieser gleicht einem Katechismus des Butohs murobushischer Zurichtung. Faux Pas heißt in Murobushis Übersetzung Kraft durch Impotenz.
Ihm widme ich mein aktuelles Plakat Endlich impotent und gründe mit ihm als Ehrenvorsitzenden die Partei der institutionalisierten Impotenz: mit einem Fuß auf der Bibel, mit dem anderen auf Mein Kampf; eine Hand auf Stalins Die Lehren des Moskauer Aufstandes, die andere auf Kubricks How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb.
Die Parteifahnen sind aus unseren Unterwäschen gefertigt, aus gerippter Unterwäsche der Firma bruno banani aus Mittelbach bei Chemnitz (vormals VEB [volkseigener Betrieb] Trikotex). Ich gehe mit Murobushi auf Wahlkampftour. Er fängt mein Wahlvolk mit Butoh-Tanz. Und will uns jemand an die Unterwäsche, ruft Ko Murobushi: „Schlagt uns tot! Lebendig werden wir unsere Fahne nicht hergeben!“ (Josef Stalin, Über die Jugend, Berlin: Verlag neues Leben 1953, S. 71) Aber das hatten wir ja schon in Peñas kleiner Polly Pocket-Welt.
Ich werde in den Donaukanal geworfen, ohne Kranz, aber mit Schwimmreifen. Ich bin schrecklich betrunken und habe kein Talent, verwechselt zu werden. Plötzlich taucht neben mir Ko Murobushi auf, als aufsteigender Untergeher und untertauchende Luftmatratze.


Murobushi confronts the artistic impotence of many of his contemporaries with his butohist laughter. Saturated with virility he solely focuses his attention onto this laughter. Anybody can cry, Murobushi explains to his pathetic audience. Sometimes they laugh in their sleep, as if they had caught a willy-tip of this Murobushian laughter. Reinhard Strobl has just texted this to me via SMS, and I believe him, because I can tell by his laughter. I feel, as if I, too, had caught a willy-tip of this laughter, moreover, as if I myself were both willy-tips of this laughter, Julius, the willy-tip and Deutschbauer, the winky-top. God Willy, God Winky, God Willy-Winky. Based on this conviction, the word ‘God’ make sense again, at last. Although Murobushi certainly has no palate for this word, he is making an effort here to describe to western audiences the play with emptiness and indifference, rising descent and creeping ascent. The word ‘God’ is one of the earliest words the likes of us have learned - through pictures and catechisms etc., but not with the same consequences pictures of aunts had. Clearly, Murobushi is closer to ‘aunts’ than to ‘God’. Nonetheless, the words ‘God Willy-Winky’ are among the words he wants to teach us in Faux Pas. Thus spake Murobushi. Thus Ko Murobushi danceth us the Willy-Winky-dance. Winky-dance instead of chicken dance. He knows not thresholds of pain nor fears of abashment (character strengths), as the programme text confesses. This is like a catechism of Butoh in Murobushian alignment. In Murobushian translation Faux Pas is referred to as Strength Through Impotence.
To him I dedicate my current poster Impotent, at Last and found the Party of Institutionalized Impotence with him as Honorary Chairman: with one foot on the Bible, the other on Mein Kampf; one hand on Stalin‘s Lessons of the Moscow Uprising, the other on Kubrick‘s How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb.
The party banners are made from our underwear, from fine rib underwear of the brand bruno banani from Mittelbach near Chemnitz (formerly VEB [people-owned company] Trikotex). I go on election campaign trail with Murobushi. He gets my electorate with Butoh dance. In case somebody wants get at our underwear, Ko Murobushi exclaims: ‘beat us to death, alive we shall not surrender the flag!’ (Joseph Stalin,  About Youth, Berlin: Verlag neues Leben 1953, p 71) But we already had that in Peñas little Polly Pocket world.
They throw me into Donaukanal, without a wreath, but with a floating tire. I am terribly drunk and have no talent to be confounded with anybody. Suddenly Ko Murobushi surfaces next to me as an ascending downgoer and submerging air mattress.

 

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